Deepak Chopra, 2. Oktober 2017
Erleuchtet sein hat viele Vorteile und keine Nachteile. Warum streben nicht mehr Menschen danach?
Ein Hindernis ist, dass Vielen nicht klar ist, was Erleuchtung ist.
Erleuchtung ist Aufwachen.
Du musst kein Mönch sein, der in einer Höhle im Himalaya meditiert, um Dich zu erleuchten. Erleuchtung ist ein Aufwachen, ein Herauskommen aus einem Zustand der Verwirrung, der Konflikte, Ängste und Depressionen, der langweiligen Routine und allem, was sonst mit „schlafen“ in Verbindung gebracht wird. Erleuchtung ist für Alle. Wach sein ist bewusster als was die meisten Menschen machen, wenn sie nicht schlafen.
Das zweite Erleuchtungshindernis ist das, was Du Deine Geschichte nennst. Jeder hat eine. Die Ehefrau, die in häuslicher Gewalt gefangen ist, der Jugendliche, der gemobbt wird oder der Angestellte, der sich in einem schlechten Job langweilt. Manche Menschen verteidigen viele Jahre lang mühevoll ihre Geschichte, weil diese zur Grundlage ihres Ichs geworden ist.
Das „Ich“ nimmt im Laufe des Lebens die verschiedensten Schubladen an. In meinem Fall „Inder“, „Mann“, „Ehemann“, „Vater“, „Großvater“, „Arzt“, „finanziell abgesichert“, „Schriftsteller“ etc.. Wenn diese Schubladen Teil meines Ichs werden, muss ich die damit verbundene Geschichte verteidigen, um mein „Ich“ nicht zu verlieren. Nimmt man mir diese Geschichte, ist dies ein Angriff auf meine Identität.
Vor nichts fürchten sich Menschen mehr, als davor, dass man ihnen ihre Geschichte wegnimmt. Wenn dies durch Ereignisse wie eine Scheidung, Krankheit oder Pleite passiert, kommt es zu einer Krise. Du weigerst Dich, gegen Dein besseres Wissen und Gewissen die eigene Geschichte zu hinterfragen, um diese nicht zu verlieren.
Niemand ist mit seiner Geschichte glücklich.
Dennoch ist es leichter, diese Geschichte weiterzuspielen als sie zu hinterfragen und zu ändern.
Du bist nicht Deine Geschichte
Erleuchtung findet außerhalb Deiner eigenen Geschichte statt. Sich erleuchten bedeutet zu einem “Ich” aufwachen, das nicht von der eigenen Geschichte bestimmt wird. Sich erleuchten heißt zu neuen Möglichkeiten aufwachen.
Stell Dir einen Buddhistischen Wandermönch vor, der um Essen bettelt und nachts im Tempel schläft. Würdest Du mit ihm tauschen, wenn Dir dies Erleuchtung garantiert?
Sehr wenige Menschen im Westen würden sich auf so einen Tausch einlassen, auch wenn ihre persönliche Geschichte sie unglücklich macht.
Sich vor Erleuchtung zu fürchten, ist wie die Freiheit abzulehnen, weil Du das Gefängnis gewohnt bist.
Die meisten Menschen wollen lieber ihre Geschichte als ein höheres Bewusstsein. Sie sind lieber gefangen, belastet, unerfüllt, ängstlich und deprimiert. Dabei ist Aufwachen natürlich und es gibt nichts zu fürchten. Wach sein, heißt die Wirklichkeit annehmen, wie sie ist und sich umschauen, im Vertrauen, dass die Wirklichkeit besser ist als die Illusion.
Der Weg zur Erleuchtung ist für jeden Menschen anders.
Es gibt kein Erleuchtungsrezept, das auf alle Menschen anwendbar wäre. Tipps zum Erfolg an der Uni, der Wall Street oder im Umgang mit anderen Menschen verschönern bestenfalls Deine Geschichte, was ironischerweise nur das von dieser Geschichte abhängige “Ich” bestärkt.
Erleuchtung hat nichts damit zu tun, was Du tust um Deine Geschichte angenehmer zu machen.
Erst wenn Du eine Wirklichkeit annimmst, die den Weg zu einer anderen Innenwelt aufzeigt, kannst Du das, was Du unter „ich“ verstehst, ändern.
Deine Geschichte ist in vieler Hinsicht nur ein subjektiv geformtes, auf wackligen Beinen stehendes Gedankengebilde, eine von Dir geschaffene Illusion. Wenn Du die Illusion einstürzen lässt, kommst Du ganz von selber zur Wirklichkeit.
Wenn Du Deine Geschichte hinterfragst, kommt dadurch auch das „Ich“ ins Wanken, welches diese Geschichte mit aller Gewalt verteidigt. Da der Mensch etwas Wertvolles nur dann aufgibt, wenn er etwas noch Wertvolleres bekommt, solltest Du beim Hinterfragen Deiner Geschichte dem „Ich“ etwas geben, was es für besser hält.
In der fassbaren Welt gibt es jedoch nichts Besseres als Deine Geschichte. Dinge, Menschen und Ereignisse kommen und gehen und sind vorübergehend. Nur etwas “hier drinnen” ist wertvoller und dauerhaft.
Die Innenwelt wirkt auf Viele noch vergänglicher als die Außenwelt. Der rastlose Geist ist ständig mit dem „Auf“ und „Ab“ von Empfindungen, Bildern, Gefühlen und Gedanken angefüllt und bietet noch weniger Sicherheit als Geld, Karriere, Status oder eine glückliche Familie.
Wenn wir im Geist keine Sicherheit sehen, hält uns dies in unserer Geschichte gefangen, weil dann nur eine Verbesserung dieser Geschichte uns Sicherheit und Glück bringt.
Aufwachen heißt nicht, den ruhelosen Geist zu erobern, ihn zum Frieden zu zwingen oder Deine Geschichte zu verschönern.
Aufwachen heißt, Wachheit zu erleben und zu erkennen, dass Du dies bist. Immer wenn Du Liebe, Erfüllung, Schönheit, Inspiration oder ein ausgeweitetes Selbst erlebst, hast Du ein neues Bewusstsein und damit ein neues „Ich“ gefunden. Du entdeckst, dass das wache „Ich“ freudvoll, sicher, friedvoll, erfüllt, kreativ, liebenswert und entwickelter ist als das „Ich“, das damit kämpft, seine nicht besonders angenehme Geschichte Jahr für Jahr zu verteidigen.
Diese Augenblicke der Wachheit kommen und gehen und können nicht bewahrt werden. Meditation macht jedoch bewusst und befreit von Zerstreuungen. Wenn Du die ganze Zeit in einem meditativen Bewusstsein bist, bist Du immer wach, und frei von Deiner Geschichte.
Übertragen aus dem Amerikanischen Original „Creating your own Enlightenment“ von Joachim Schneider