MBSR („Mindfulness based Stress Reduction“), die „achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ ist laut Jon Kabat-Zinn, ihrem Begründer “größtenteils Vipassana mit einer Zen-Einstellung” (Gilpin, 2009 p. 238). Sowohl Vipassana als auch Zen gehören zu den Buddhistischen Meditationspraktiken, die das Ziel haben, über Achtsamkeit und Konzentration den Geist zu trainieren, um sich vom Leiden zu befreien. Lesen Sie in Buddhismus mehr über diese Philosophie, ihre verschiedenen Gefährte Mahayana, Theravada und Vajrayana und über Deepak Chopras Einstellung dazu. Lesen Sie Achtsam, konzentriert oder mühelos? Meditation und Gehirnwellen für mehr Informationen über diese Unterscheidungen.

Vipassana

Vipassana ist eine Praktik aus dem Theravada Buddhismus, dem „Pfad der Enthaltsamkeit“, bei der man sich “auf die Empfindungen der Sinne in diesem Augenblick mit Gleichmut“ fokussiert (Siehe Cahn et al., 2010). Für Thanissaru Bhikkhu, einen Mönch des Theravada Buddhismus, ist Meditation “die unscheinbarste und forderndste Fähigkeit, die es gibt”. Das Ziel ist, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind und sich durch Selbstbeobachtung zu reinigen, sagt S.N. Goenka, der Pionier dieser Praktik. Vipassana beginnt mit der konzentrierten Beobachtung des natürlichen Atems.

Bemerke die Veränderungen im Bauch, wie er steigt und fällt. Bemerke wie die Luft durch die Nasenlöcher geht und die oberen Lippen und Haut berührt.“

Während der Konzentration auf den Atem soll man die körperlichen Empfindungen beobachten, ohne an diesen zu hängen.

Während Du Dich auf den Atem konzentrierst, beobachtest Du, dass andere Empfindungen aufkommen. Laute, Empfindungen im Körper, Gefühle. Bemerke diese Beobachtungen, wenn sie Dir bewusst werden und dann kehre wieder zum Atmen zurück. Du lässt die Aufmerksamkeit immer auf dem Atmen. Gedanken und Empfindungen sind Hintergrundgeräusche, denen Du Dich ein paar Momente widmen und sie mit Namen wie “denken”,  “Erinnerung”, “hören” oder “wünschen“ benennen kannst.“

Während der Vipassana Meditation darf man sich nicht bewegen und soll aufrecht und ohne Rückenlehne sitzen. Mehr informationen über Vipassana und die 10 Tage Retreats zum Beispiel auf auf https://www.dhamma.org/de

Vipassana, auch genannt Einsichtsmeditation wird auch von Joseph Goldstein, Sharon Salzburg und Jack Kornfield mit besonderem Blick auf Interessenten im Westen  gelehrt. Siehe http://www.dharma.org

Zen

„Zen“, auf Chinesisch „Chan“ stammt von „Dhyana“, Konzentration im Sanskrit, und ist der japanische Name einer im 6. Jahrhundert in China entstandenen Schule. Im Zen werden Ideen und Techniken danach beurteilt, ob sie die Selbstverwirklichung befähigen. Wissen und gesellschaftliche Regeln sind nicht wichtig und alles ist Gott in Verkleidung.

Anstatt Gedanken zu unterdrücken oder ihnen zu entfliehen, gilt es im Zen darum, Körper, Atmung, Gefühle und Gedanken zu beobachten und das, was dahintersteckt, zu entdecken, um dadurch „im Hier und Jetzt“ anzukommen, Erkenntnisse zu gewinnen, ein einfaches Leben zu finden und sich zu verwirklichen.

Zen beinhaltet Konzentration und Achtsamkeit.  In der Sitzmeditation “Zazen” sitzt man aufmerksam, mit geradem Rücken, ohne Rückenlehne und ohne sich zu bewegen. Die Hände sind dabei in einem Mudra, einer besonderen Stellung, und die Augen halb offen. Beim Zazen fokusiert sich der Meditierende entweder auf den Atem oder praktiziert Shikantaza (“einfach sitzen”) mit dem Fokus auf diesen Augenblick und auf innere und äußere Eindrücke, ohne diese zu vertiefen. Beim Fokus auf den Atem, beobachtet der Meditierer, wie der Atem in die Nase hinein und aus der Nase herausfließt.  Beim Einatmen kann rückwärts von 10 bis 1 gezählt werden. Wer sich ablenken lässt, beginnt wieder mit 10. Während viele Formen des Buddhismus keinen Guru erfordern, wird im Zazen ein erfahrener Lehrer empfohlen, um zu vermeiden, dass der Meditierende unkonzentriert sitzt oder unangenehme Gedanken verdrängt. Andere Zen Meditationspraktiken, wie die Teezeremonie, Kalligraphie oder Ikebana sind dazu gedacht, Konzentration zu trainieren und sich ganz einer Tätigkeit zu widmen, um in ihr aufzugehen. Auch scheinbar widersprüchliche Fragen, wie “Wie kann eine Hand einen Klatschklang machen?”, genannt „Koans“, sollen die Selbsterkenntnis erhöhen und die Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit jenseits der Gedanken bringen. Darüber hinaus werden den Tag über Achtsamkeit und körperliche Arbeit empfohlen.

Sitzposition in Buddhistischen Meditationen

Im allgemeinen sind die empfohlenen Sitzpositionen für Buddhistischen Meditationen  der Lotussitz, der halbe Lotus, die Burmesische Sitzhaltung oder der Fersensitz. Das Sitzen in diesen Positionen ist mit vielen Regeln genauestens vorgeschrieben. Die Sitzpose soll innere Festigkeit, Fokus und körperliche Unbeweglichkeit unterstützen und dabei helfen, mit Schmerzen und verspannten Muskeln fertig zu werden. Es gilt, die Sitzposition die ganze Meditation über durchzuhalten, auch wenn sie unangenehm wird. Ganz egal, wie man sitzt, früher oder später wird es einem überall unbequem, ist die Auffassung. Wenn Meditierer sich auf den Schmerz fokussieren und ihn ertragen, anstatt sich anders hinzusetzen, soll er sich in Wohlgefallen auflösen. Körperlicher Schmerz soll nicht unterdrückt, ihm aber auch nicht übertrieben viel Aufmerksamkeit gegeben werden. Ein Meditationskissen, eine Matte und eine Meditationsbank dürfen verwendet werden.

MBSR

MBSR („Mindfulness Based Stress Reduction“) „achtsamkeitsbasierte Stressreduzierung“ ist ein Achtsamkeitstraining, das von dem Zen Buddhisten Jon Kabat-Zinn entwickelt wurde, um Menschen mit chronischen Schmerzen und anderen Krankheiten zu helfen, diese Symptome und den Stress zu bewältigen.  Für Kabat-Zinn heißt meditieren “aufpassen” und kann “harte Arbeit” sein, auch weil es das Beobachten unangenehmer Gedanken miteinschließt.

Wer Schmerzen hat, soll das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit auf die Quelle des Schmerzes richten, wird dadurch „eins” mit dem Schmerz und lernt ihn anzunehmen, was zu einer Linderung führen kann. Kabat-Zinns Definition von Achtsamkeit ist ein „von Augenblick zu Augenblick nicht wertendes Gewahrsein, gestützt durch Aufmerksamkeit”.  Anstatt an die Vergangenheit oder Zukunft zu denken, soll man ruhig bleiben, sich auf die Gegenwart fokussieren und auch unangenehme Gedanken, körperliche Empfindungen und Gefühle annehmen. Unter den Buddhistischen Meditationsansätzen gibt es die meisten Studien über MBSR. (Siehe dazu „Meditation und Genforschung“ und „Meditationsforschung der letzten Jahrzehnte nicht ausreichend“).

MBSR Praktik

MBSR dauert 8 Wochen und beinhaltet ein tägliches, 45 Minuten langes Training, bestehend aus einem Body-Scan, Yogaposen und einer Sitzmeditation. Dazu kommen Achtsamkeitsübungen für den ganzen Tag, zum Essen, Gehen oder Sprechen. Teilnehmer führen ein Tagebuch und besuchen ein Gruppentreffen von 3 Stunden wöchentlich mit Vorträgen über Stress und Gesundheit und einem Erfahrungsaustausch.  Von MBSR gibt es eine Reihe von Varianten: MBCT („Mindfulness Based Cognitive Therapy“), die „Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie“, beinhaltet zusätzlich zu MBSR eine kognitive Verhaltenstherapie im Umgang mit Gedanken und belebenden Aktivitäten. MBI („Mindfulness based Intervention“) ist ein zeitlich verkürztes und offenbar vergleichbar wirkungsvolles MBSR, von 20 statt 45 Minuten täglicher Übung. Das Yoga-Stretching kommt mit Hintergrundmusik und einem einstündigen Gruppentreffen pro Woche, statt der drei Stunden für MBSR (Malarkey et al., 2013).

Body Scan

Der Body Scan von S. N. Goenkas Vipassana Kurs, stammt von einer traditionellen Burmesischen Praktik, genannt “sweeping”, dem „Körperhineinkommen“ von U Ba Khin. Beim Body Scan richtet man die Aufmerksamkeit langsam auf die Empfindungen vom Kopf bis zu den Zehen (S. N. Goenka) bzw. von den Zehen zum Kopf (Kabat-Zinn). Der Fokus kann sich vergrößern oder verkleinern, was verschiedene Konzentrationsstufen trainiert. Goenkas Body Scan wird aufrecht sitzend ausgeführt, während man sich bei MBSR bei Bedarf auf den Boden legen kann.

MBSR Achtsamkeitsmeditation

Die MBSR-Achtsamkeitsmeditation ist eine Sitzmeditation, die mit einer achtsamen Wahrnehmung der Atmung beginnt, genannt „Anapata Sati“ in Vipassana. Kabat-Zinn betont, wie wichtig es ist, auf den Atem zu achten.

„Wenn Du einatmest, sei Dir bewusst, dass Du einatmest und wie es sich anfühlt. Wenn Du ausatmest, sei Dir bewusst, dass Du ausatmest.  Beobachte das Atmen die ganze Meditationszeit hindurch oder beginne damit, Deine Empfindungen, Gedanken und Gefühle zu beachten. Sei Dir bewusst, was passiert, ohne dass Du Dich darin verlierst. Wenn Du abschweifst auf Gedanken oder Gefühle, bemerke dies und lass die Aufmerksamkeit wieder auf das Atmen zurückgehen.“

Danach wird die Aufmerksamkeit auf die 5 Sinne gerichtet, auf körperliche Empfindungen, Gedanken und Gefühle. Später weitet der Meditierende seine Aufmerksamkeit auf alle Bereiche des Bewusstseins aus, um alles einzubeziehen, was im „Hier und Jetzt“ auftaucht. Kabat-Zinn sagt, „Erlaube Dir, das Feld Deines Bewusstseins auszuweiten.” „Fühle Deinen Körper, von Kopf bis Fuß und werde Dir aller Empfindungen im Körper bewusst.“ „Sei voll da, von Augenblick zu Augenblick, voll anwesend, voll mit Dir selbst.”

Sitzposition

Zum Thema Sitzposition gibt es von Jon Kabat-Zinn verschiedene Aussagen wie, dass man “in aufrechter Position, entweder auf einem Stuhl mit gerader Lehne oder auf einem Kissen” sitzen soll oder „auf dem Boden oder einem Stuhl ohne Rückenlehne.“  Den aufrechten Rücken empfiehlt er, um “Würde zu zeigen”, als den “besten Weg, diesem Augenblick zu begegnen” und um Müdigkeit zu vermeiden. Im Gegensatz zu Vipassana oder Zen wird MBSR für Menschen im Westen und für Kranke weniger anstrengend gelehrt.

Ist MBSR jedem zu empfehlen?

Die Psychotherapeutin und MBSR-Lehrerein Patricia Dobkin und ihre Kollegen sagen, dass MBSR an sich für alle Menschen geeignet ist. Dobkin räumt jedoch ein, dass Meditieren nicht empfohlen wird, wenn jemand an Psychosen leidet, an Zwangsstörungen, ernsten psychischen Störungen oder anfällig für Nervenzusammenbrüche ist. Bei Essstörungen, Schizophrenie oder posttraumatischen Störungen braucht es erfahrene Therapeuten als Achtsamkeitslehrer (Dobkin et al., 2011).

Bei Depressionen im Anfangsstadium rät der Psychotherapeut Zarbock ebenfalls von  Achtsamkeitsmeditation ab, da es in diesem Zustand wichtig sei, unter die Leute zu gehen. Lesen Sie hierzu einen Artikel im Spiegel, in welchem auch darauf hingewiesen wird, dass Achtsamkeitsmeditation manche Menschen passiv machen kann, Schüchterne noch schüchterner und Verdränger noch weltfremder. Süchtige sind meist erst dann zur Achtsamkeitsmeditation bereit, nachdem sie ihre Sucht nahezu vollständig abgelegt haben. Für Krebspatienten kann Achtsamkeitsmeditation zu anstrengend sein.

Unangenehme Wirkungen?

Die Praktiker von MBSR aber auch Vipassana oder Zen geben selber zu, dass diese Form von Meditation anstrengend sein kann, soll man doch in einer vorgegebenen Position sitzen bleiben, auch wenn es ungemütlich wird. Im Westen und für Kranke sind die Vorschriften darüber, wie man zu sitzen hat, daher auch nicht so streng.

Als Außenstehender kann ich mir vorstellen, dass ein gleichmütiges Betrachten, falls missverstanden, auch den spontanen Gefühlsausdruck unterdrücken kann.

Dobkin hat recherchiert, dass es bei einem geringen Prozentsatz an Menschen, die langjährig meditieren zu den folgenden unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann: Unangenehme körperlichen Empfindungen, ein Gefühl der Trennung von der Umwelt, eine geringere Lebensmotivation, Langeweile, ein eingeschränktes Wirklichkeitsbewusstsein, Größenwahn, Verwirrung, Depression, Negativität, Vorurteile, Schuldgefühle, Schutzlosigkeit und sogar Meditationssucht und entspannungsbedingte Angst oder Stress. In wieweit diese Erfahrungen auf eine konkrete Meditationspraktik zurückgehen, die Persönlichkeit des Menschen, das Meditationsumfeld oder ein Zeichen von „Erleuchtung“, wird in diesen Berichten jedoch nicht zurückverfolgt.

Auch über TM gibt es Berichte von unerwünschten Nebenwirkungen (Siehe in „Primordial Sound Meditation, TM und TM-Varianten“.) Nur weil es über eine Praktik keine Berichte über Nebenwirkungen gibt, muss das nicht heißen, dass keine auftreten. Praktiken wie TM oder MBSR sind bekannt und daher mehr im Medienfokus als andere. Die hier erwähnten Nebenwirkungen treffen sicher nicht nur auf Achtsamkeitsmeditation zu, sondern auch auf andere Meditations- und Geist-Körperpraktiken, wobei mühelosere Praktiken wie Primordial Sound Meditation Kranken womöglich leichter fallen.

Literaturverzeichnis

Cahn B. Rael, Delorme, Arnaud and John Polich. “Occipital gamma activation during Vipassana meditation”.  Cogn Process. 2010 Feb; 11(1): 39–56.

Dobkin, Patricia L.,  & Julie A. Irving & Simon Amar. “For Whom May Participation in a Mindfulness-Based Stress-Reduction Program be Contraindicated?

Springer Science+Business Media, LLC 2011.

Gilpin, R. (2009). “The use of Theravada Buddhist practices and perspectives in mindfulness-based cognitive therapy.” Contemporary Buddhism, 9, 227–251.

Malarkey, W.B., Jarjoura, D., Klatt, M., 2013. “Workplace based mindfulness practice and inflammation: a randomized trial. Brain Behav. Immun. 27(1), 145 – 154.