Ist positiv denken Medizin?

Deepak Chopra

5. Dez. 2011

Die Schulmedizin sieht positives Denken in letzter Zeit kritischer. Analysen wissenschaftlicher Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass Menschen, die eine positive Einstellung zur Bekämpfung  ihrer Krebskrankheit haben, deswegen nicht eher genesen. Ein paar Studien besagen sogar, dass positiv denkende Menschen weniger häufig gesund werden als andere.

Die Verwirrung über widersprüchliche Forschungsergebnisse  ist auch unter Ärzten groß. Auch wenn Ärzte nur selten sagen, dass Gedanken genauso gut wirken, wie “richtige“ Medizin, raten sie seit jeher zu Zuversicht.  Bis vor 20 Jahren war es üblich, einen Sterbenden nicht über den Ernst seiner Lage zu informieren, weil man glaubte, dass schlechte Nachrichten einem Patienten nicht gut tun.

Die Verwendung von Scheinarzneimitteln beweist jedoch, dass Denken Medizin sein kann. Wenn Patienten eine Zuckertablette bekommen, anstatt einer wirklichen Arznei, sprechen 30% darauf an und es tritt ein Placebo Effekt ein. Diese Reaktion geht nicht auf einen bestimmten Stoff zurück, sondern darauf, dass Gedanken und Erwartungen den Körper beeinflussen. Wer glaubt,  eine Arznei hilft ihm, erlebt eine Besserung seines Gesundheitszustandes.

Wer allerdings weiß, dass es sich nur um eine Zuckerpille handelt, wird davon nicht besser.  Ohne eine Autoritätsperson im weißen Kittel, die sagt, dass eine Tablette wirkt, ist die Zuckerpille nur eine Zuckerpille. Man kann sich scheinbar nicht selber überlisten.

Die Fürsprecher positiven Denkens sind dennoch der Meinung, dass positives Denken schützen kann. Wenn man sich die Studien genauer anschaut, bei denen positives Denken für die Genesung unerheblich war, stellt sich heraus, dass die Patienten schwer krank waren. Diese Studien sagen daher nichts darüber aus, ob positives Denken eine Krankheit vermeiden oder im Frühstadium beeinflussen kann. Die Meinungen dazu sind ebenfalls geteilt. Die genetische Forschung zeigt, dass der Auslöser für viele Krankheiten in unseren Genen liegt, dass deren Einfluss allerdings vom Umfeld eines Menschen, seinem Verhalten und seiner Einstellung abhängt. Eine mittlerweile bekannte Studie aus Schweden fand zum Beispiel heraus, dass, ob jemand Diabetes bekommt, auch von den Essgewohnheiten seines Großvaters abhängt.*

Ein neuer Forschungsbereich macht deutlich, dass genetische Einflüsse steuerbar sind. Auch wenn diese Forschung noch nicht abgeschlossen ist, kann man bereits jetzt davon ausgehen, dass Gedanken Gene beeinflussen. Viele Studien bestätigen dies.

Die Medizin hat noch nicht bewiesen, dass positives Denken Krankheiten vorbeugen kann. Für mich besteht das Problem mit positivem Denken im Denken.  Es ist anstrengend und wirklichkeitsfern, ständig positiv zu denken und den Geist vor Negativität schützen zu wollen. Auch wenn man nach Außen den Schein der Zuversicht wahrt, ist unter der Oberfläche meist ein Kampf im Gange und Zweifel werden verdrängt. Fanatisch positiv zu sein, ist immer noch fanatisch.

Die Alternative zu positivem Denken ist mit sich im Reinen zu sein.  Wissenschaftliche Untersuchungen über Meditation sind noch in ihren Anfängen,  da die Versuchspersonen fast ausschließlich buddhistische Mönche sind.  Es ist jedoch erwiesen, dass Meditation den Bluthochdruck und den Stresspegel von Langzeitmeditierern senkt.

Die Medizin kann daher nicht sagen, ob positives Denken das Wohlbefinden beeinflusst. Wenn wir unser Wohlbefinden verbessern möchten, bevor Krankheitssymptome eintreten, tun wir gut daran, die förderlichste Denkweise anzustreben.

Herzliche Grüße,

Deepak Chopra

© Copyright 2011 Deepak Chopra.  Aus dem Amerikanischen angepasst von Joachim Schneider. Der Originalartikel ist auf CNN erschienen.  http://edition.cnn.com/2011/12/05/health/positive-thinking-deepak-chopra/?hpt=he_t3

Anmerkung des Übersetzers:  Die Enkel von Großvätern, die zurzeit einer Hungersnot in Schweden aufgewachsen sind, haben eine geringere Wahrscheinlichkeit Diabetes zu bekommen als die Enkel, deren Großväter genug zu essen hatten, als sie aufwuchsen . http://www.mindfully.org/Health/2002/Diet-Disease-Risk31oct02.htm