Chopra-Door-hangerJoachim Schneider, 3.4. 2016

„Sobald Du Dich in eine Schublade steckst, begrenzst Du Dich. Ich würde sagen, Ich wurde als Hindu geboren und dass ich meine Inspiration in Vedanta finde, welche die ewige Quelle der Weisheit ist, aus der Hinduismus entstanden ist“.

Deepak Chopra, 2000 auf die Frage, „Sind Sie Hindu?“

Seit 1997 lese ich die Bücher von Deepak Chopra, habe Kurse von Ihm besucht, mich in seiner „Primordial Sound Meditation“ 2003 als Lehrer ausbilden lassen und seine Artikel ins Deutsche übersetzt. Ich war dabei immer von der Vielfalt der spirituellen Traditionen angetan, die er in seinen Vorträgen und Büchern anspricht, auch weil ich finde, dass dies zur Toleranz unter den Religionen beiträgt.

Neben Ayurveda, der vedischen Heilkunst, hat Chopra über Jesus, Buddha, Mohammed, Rumi, Archetypen, die Götter und Göttinnen in uns und andere geschrieben. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich mit Quantenphysik, um das Bewusstsein als Ursprung der fassbaren Welt zu erklären.

Wer die Gelegenheit hat, einmal das Chopra Center in Carlsbad, Kalifornien zu besuchen, oder in den Neunziger Jahren La Jolla, findet dort religiöse Symbolik aus den verschiedensten Traditionen. In der Empfangshalle sah ich zuletzt eine Buddha-Statue und im Seminarraum ein großes Bild des Elephantengottes Ganesha. Ein Buddha ist auch auf den Meditationsstürhängern des Chopra Centers abgebildet mit dem indischen Gruß „Namasté“ „das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in Dir“. 2010 verbrachte Chopra mehrere Wochen in Forest Monastery, Wat Sunandavanaram, einem Kloster des Theravada Buddhismus in Thailand. Die Mönche dort sind ganz einfach gekleidet und betteln unter der Bevölkerung um ihr Essen, eine Lebensweise, die nicht unbedingt zum Fülle- und Wohlfühldenken passt, mit dem Chopra in Verbindung gebracht wird.

Chopra monasteryLange Zeit war mir nicht klar, welcher Religion oder Philosophie Deepak Chopra angehört. ich fragte mich, ob er Hindu ist, Buddhist oder doch Esoteriker bzw. „New Age“?

„New Age“

Deepak Chopra wird vielfach als „New Age Guru“ bezeichnet. New Age ist ein „individualistischer Glaube“, sagt der Religionswissenschafter Haanegraff (1996), bei dem jeder Mensch aus einer Mischung von östlichen und westlichen spirituellen Ansätzen, Selbsthilfebüchern und Motivationspsychologie sein eigenes Weltbild formt. Sollte Buddhismus oder Hinduismus zu diesem Weltbild gehören, neigen wir im Westen dazu, so Haanegraff, idealisierte westliche Vorstellungen dieser Religionen zu betonen, wie der Wunsch nach Befreiung oder Selbstverwirklichung, jedoch die  Hingabe zur Gruppe, die in östlichen Kulturen wichtig ist, auszuklammern.  Yoga, Tönen, Ayurveda, Astrologie, Meditation und Archetypenfindung, die allesamt am Chopra Center ausgeübt  werden, gehörten 1996 noch zu Haanegraffs Liste von „New Age“ Praktiken, obwohl diese Teil der vedischen Lehre Indiens sind.

Esoterik

„Esoterik“, vom Griechischen „innerlich“, bezieht sich auf „geheime“ spirituelle Praktiken und die Reise „nach innen“. Sie besteht, laut Haanegraff, aus den folgenden Grundsätzen:

Die Wirklichkeit wird von den Gedanken erschaffen.

Denke positiv.

Negativität zerstört uns, nicht Sünde.

Der Mensch ist gut. Verbote und ein strafender Gott werden abgelehnt.

Die innere Stimme ist ein besserer Ratgeber als Fachleute.

Ein Mensch hat alles in sich, was er braucht, um erfolgreich zu sein.

Jeder Mensch hat Recht.

Das Göttliche ist eine Energie, die alles durchdringt und keine bestimmte Form hat. Alles kann Gott sein, aber auch nichts.

Das Leben hat einen Sinn und Zufälle sind bedeutsam.

Alles hängt miteinander zusammen. Ganzheitlich leben ist wichtig.

Es gibt besondere Kraftorte, wie Stonehenge oder die Pyramiden.

Das Diesseits und die persönliche Weiterentwicklung sind wichtiger als das Jenseits. Der Erfolg in diesem Leben hängt nicht davon ab, wie wir uns im letzten verhalten haben.

Verglichen mit dieser Liste sind Chopras Ideen nahezu alle esoterisch. Die Frage, ob es eine Wiedergeburt gibt, erklärt er zwar wissenschaftlich, aber er bezieht frühere Leben, meines Wissens nicht in seine Weiterentwicklungsphilosophie mit ein.

Ob er positives Denken befürwortet, ist nicht eindeutig. In einem Seminar 1999 in San Diego erwähnte er, dass positiv denken zwar besser als negativ denken sei, nicht denken jedoch noch besser. Andererseits hat Chopra vor mehreren Jahren ein öffentliches Versprechen gegeben, Gewalt in Worten, Gedanken und Handlungen zu unterlassen, was zeigt, dass er durchaus „positive“ von „negativen“ Gedanken unterscheidet. Wenn er neuerdings sagt,  dass man Gene durch „positive Inputs“ verändern kann, spricht dies ebenfalls dafür, dass er positives Denken befürwortet, solange dies nicht anstrengend oder zwanghaft ist.

Buddhismus

Auf die Frage ob er Buddhist ist, sagte Deepak Chopra, 2007 in einem Interview:

„Nein. Buddhisten sind in verschiedene, oft streng geführte Gedankenschulen gespalten. Ich bin kein Buddhist, weil Buddha meiner Meinung nach selber an keine Lehre glaubte. Er wollte praktische Methoden zeigen, wie wir selber zu diesen Erkenntnissen gelangen können. Er war weltlich spirituell. Er sprach nie über Gott und viele dachten, er sei ein Atheist.“

Deepak in ThailandAuch wenn Chopra mehrere Wochen in einem Buddhistischen Kloster verbracht hat und in einem Artikel  „Über Buddhismus“  die Gemeinsamkeiten zur vedischen Lehre hervorhebt, ist er, wie er selbst sagt, kein Buddhist. Im Rahmen meiner Meditationslehrerausbildung am Chopra Center wurden mir nie Buddhistische Konzepte beigebracht, wie die „vier edlen Wahrheiten“ oder  der „achtfache Pfad“. Chopras „Mindfulness“ Meditation, auf Deutsch „Achtsamkeit“, welche er vorstellt, wenn jemand seinen Urklang noch nicht hat, erfordert weder Konzentation noch eine strenge Sitzhaltung und hat daher wenig mit einer typisch buddhistischen Achtsamkeitsmeditation gemeinsam. Aus diesem Grund nenne ich seine Mindfulness Meditation auch Atemwahrnehmungsmeditation.

Im Gegensatz zu Deepak Chopras Vedanta Philosophie kommt der Buddhismus darüberhinaus  ohne Seele aus, ohne Gott, ohne grenzenloses Bewusstsein und ohne einen unzerstörbaren ewigen Kern. Auch ist Chopras Vorstellung, dass jeder Mensch einzigartig ist, das größte Hindernis zur Erleuchtung im Buddhismus. Zen Buddhismus stellt diesbezüglich eine Ausnahme dar, jedoch gehört das buddhistische Kloster, welches Chopra mehrere Wochen lang besuchte, zur Theravada Tradition, und nicht wie Zen zum Mahayana. Dass eine Buddha-Statue am Chopra Center und auf dem Meditationsürhänger zu sehen ist, hat wohl mehr damit zu tun, dass es Chopra zusagt, dass der Buddhismus keine Glaubenslehre ist, sondern eine unabhängige und intellektuelle Auseinandersetzung, mit dem Ziel, sich zu befreien.

Hinduismus

Auch wenn sich Deepak Chopra von anderen Kulturen und Religionen inspirieren lässt, als Kind auf eine katholisch-jesuitische Schule ging und später in Amerika studierte, prägt ihn die indische Kultur doch am meisten. Er  ist in Indien geboren und seine Mutter war Hindu  und sein Vater Hindu und Sikh. Dennoch sieht er sich nicht als Hindu, sondern als Anhänger von Vedanta, auch weil er das Rituelle am Hinduismus nicht mag. Diese Rituale und dass er nicht als Guru verehrt werden wollte, waren ein Grund, weshalb er die TM Organisation verlassen hat, sagt er in einem Interview in 2012. TM wird, in Lola Williamsons Buch „Transcendent in America“  als eine „Hindu-inspirierte“ Meditationsbewegung bezeichnet, was man über Deepak Chopras Primordial Sound Meditation, auf Deutsch Urklangmeditation, nicht sagen kann. Chopra betont, dass jeder sein eigener Guru ist, und außer dem Urklangübergaberitual, lehrt Chopra keine Riten.  Anstatt Rituale als Buße für Verfehlungen zu verschreiben, lehrt Chopra psychologische, spirituelle, quantenphysikalische und ernährungswissenschaftliche Techniken  zur Weiterentwicklung.

Adi Shankaras Vedanta

„Veda“ bedeutet Wissen im Sanskrit und „Anta“  „Ende“, „Schlussfolgerung“.  „Vedanta“ ist daher das “Ende des Wissens“. Vedanta, eine der 6 vedischen Philosophien, wurde von Adi Shankara begründet, einem Mönch aus Indien, der um 700 n. Chr. lebte. Adi Shankara bezieht sich in seiner Lehre auf die Upanischaden (750–500 v. Chr.) und die 5000 Jahre alten Veden. In Adi Shankaras Buch „Das Kleinod der Unterscheidung“, einer Pflichtlektüre für angehende Primordial Sound Meditationslehrer am Chopra Center, beschreibt er, dass wir alle “advaita“,  „eins“ sind und dass das Bewusstsein nicht getrennt, sondern grenzenlos ist. Befreiung kommt durch die  Erkenntnis „Ahambramasmi“, „ich bin das Universum“. Ein Grund, weshalb Chopra Quantenphysik und das „bewusste Universum“ interessiert,  ist dass er dadurch die Idee des grenzenlosen Bewusstseins, die im Advaita Vedanta verankert ist, wissenschaftlich bestätigen möchte. Rupert Sheldrake, Roger Penrose und andere sind ebenfalls Anhänger der These, dass das Bewusstsein die fassbare Welt erschaffen hat und nicht umgekehrt, wie Materialisten sagen.

Deepak Chopra hat jedoch Adi Shankaras Philosophie nur in Teilen übernommen.

Während Chopra körperliches Wohlbefinden über alles stellt und sagt, dass unsere Wünsche und Sehnsüchte ein göttliches Geschenk sind, waren körperliche Freuden für den enthaltsamen Adi Shankara „Gift“, und „Schmutz“ und er drängte darauf „den Haifisch der Sinneslust“ zu töten. Mit seinem Satz, „Folge jedem Wunsch. Er wird Dich zu Gott führen“, weist Chopra hingegen auf die tantrische Weisheit hin, dass wir uns erleuchten können, wenn wir unseren Wünschen nachgehen.

Veden

Neben (1) Vedanta und den 5 anderen vedischen Philosophien besteht das 3000 bis 5000 Jahre alte vedische Wissen aus (2) Ayurveda für körperliche Heilung, (3) Yoga, Meditation und Mantren für Einswerdung von Körper und Geist, (4) Jyotisch, der vedischen Astrologie, (5) Vastu, der Architektur, (6) Yagyas, Homas und Pujas, den Ritualen für spirituelle Erneuerung und (7) Gandharva, Musik.

Das einzige, was am Chopra Center  nicht betont wird, sind (6) die „Yagyas“,  Rituale,  „Homas“, Verehrungen  und „Pujas“, Feuerrituale, welche in der TM Organisation, die sich ebenfalls auf Adi Shankara bezieht, eine wichtige Rolle spielen. Diese Rituale haben ihren Ursprung in Purva Mimamsa, einer anderen vedischen Philosophie, nach der unser Leben das Ergebnis unserer Handlungen ist. Purva Mimamsa lehrt, dass wir unsere  gesellschaftliche Pflichten und Regeln befolgen  und bei Verfehlungen Bußrituale durchführen sollen.

Die Veden sind keine Religion

Chopra sagt, dass die Veden eine Wissensansammlung sind und keine Religion, dass sie jedoch als Grundlage für verschiedene Religionen, wie den Hinduismus, Buddhismus und Sikhismus dienen. Viele Götter, die im Hinduismus verehrt werden, wie Krishna, Lakshmi, Saraswati, Kali, Varuna, Durga, Kartikeya, Skanda, Agni u.s.w. haben ihren Ursprung in den Veden oder den Volksepen Indiens, weshalb man kein Hindu sein muss, um sich von ihren Eigenschaften inspirieren zu lassen. Ob der Elefantengott Ganesha vedischen Ursprungs ist, oder doch hinduistisch, ist nicht geklärt. Deepak Chopra nennt Bilder von Ganesha und anderen Gottheiten „Archetypische Manifestationen des höheren Bewusstseins“ und weist damit auf Adi Shankaras Idee des göttlichen, grenzenlosen Bewusstseins in allem hin.

Lakshmi Chopra Center

Urklangmeditation und Yoga sind vedischen Ursprungs

Den Ursprung der Urklangmeditation, die Deepak Chopra allen Teilnehmern seiner Kurse beibringt, sieht Chopra in Patanjalis Yoga-Sutren und in Adi Shankaras Vedanta. In seinen Seminaren macht Chopra deutlich, dass Yoga, Atemübungen, Urklang-, Mantren- und Chakrenmeditationen nicht hinduistisch sind sondern auf die Veden zurückgehen. Deshalb können sie von jedem Menschen praktiziert werden, unabhängig von dessen Religionszugehörigkeit.

Die Sieben Spirituellen Gesetze des Erfolgs

Auch seinen sieben spirituelle Gesetzen des Erfolgs, bei denen Konzepte wie „Dharma“ und „Karma“ eine wichtige Rolle spielen, weist Chopra einen vedischen Ursprung zu. Eine Ausnahme ist sein Gesetz des geringsten Widerstands, ein absichtsfreies  und unkontrolliertes mit dem Strom schwimmen, welches er als taoistisch sieht (Siehe die Philosophie der 7 spirituellen Gesetze).Taoistische Praktiken werden am Chopra Center nicht ausdrücklich gelehrt.

Jeder ist Gott in Verkleidung

Laut Adi Shankara ist das grenzenlose Bewusstsein göttlich und in allen Lebewesen zu finden. Jedes Lebewesen ist Gott in Verkleidung. Daher spricht Deepak Chopra auch von den Göttern und Archetypen in uns, die geboren werden wollen. Die Wahrheit ist in jedem Menschen, jeder Religion und Kultur zu finden. Niemand muss seine Religion oder seinen Lebensstil ändern. Als Anhänger von Adi Shankaras Vedanta Philosophie können Sie Jesus, Allah, Mohammed, Jahwe und jeden anderen Gott verehren, aber  nicht unbedingt als eine übergeordnete, übermächtige  Kraft, sondern weil deren Form des grenzenlosen Bewusstseins Sie besonders anspricht. Jeder kann seinen einzigartigen Weg gehen, was Deepak Chopra auf vielfältige Weise tut.

 

Wouter Jacobus Hanegraaff, 1996. New Age Religion and Western Culture: Esotericism in the Mirror of Secular Thought.

Adi Shankara. Das Kleinod der Unterscheidung.