Sich weniger machtlos fühlen

Deepak Chopra, 5. Oktober 2012

Eigentlich müsste dieser Artikel „5 Tipps für mehr Macht“ heißen. Viele Menschen fühlen sich heutzutage jedoch machtlos.

Die gesellschaftliche Entwicklung verstärkt diese Machtlosigkeit zunehmend. Wer in einem finanziellen Überlebenskampf oder in einem anonymen Routinejob festsitzt oder sich einem herrischen Partner ausgeliefert sieht, ist schon froh, sich etwas weniger machtlos zu fühlen.

Macht ist keine Waffe, um seinen Willen durchzusetzen. Macht auszuüben heißt auch nicht, sich oder andere zu unterdrücken, um etwas zu erreichen.  Wahre Macht hat nichts mit Geld, Status, Besitz oder anderen materiellen Dingen zu tun. Viele im Luxus lebende Menschen fühlen sich machtloser als so mancher Normalverdiener. Wahre Macht kommt von innen. Sie kommt daher, wie Du zu Dir selbst stehst.

Es folgen 5 Tipps, damit Du Dich nicht so machtlos fühlst.

1. Gib Deine Macht nicht mehr ab
Ein Mensch wird nicht auf einen Schlag machtlos.  Eine Horde Barbaren reißt Dir nicht die Tür ein oder brennt Dein Haus nieder. Machtlos werden wir allmählich. Wir merken es fast gar nicht. Es ist sogar angenehm,  sich ohne viel Aufwand beliebt zu machen und beschützt zu fühlen.

Wir geben unsere Macht ab, um anderen zu gefallen und um dazuzugehören. Dabei nehmen wir andere wichtiger als uns selber. Es mag tugendhaft sein, bescheiden im Hintergrund zu sitzen, gesellschaftlich anerkannte Meinungen zu vertreten, für seine Kinder zu leben oder um des lieben Friedens willen, sich von einem kontrollierenden  Partner unterbuttern zu lassen. Wenn wir dies tun,  verlieren wir jedoch unsere Selbstachtung.

2. Was ist „gut“ daran, ein Opfer zu sein?   
Je weniger wir uns achten, desto schneller werden wir zum Opfer. Ein Opfer ist jemand der sich selbstlos Schmerzen zufügt. Du redest Dir ein, dass Du nicht wirklich wichtig bist und wirst zum Martyrer. Das Leid, das Du erträgst, machst Du zu einer Art Tugend. Auch wenn es “gut” sein mag, einem höheren spirituellen Zweck zu dienen, steckt hinter dem, was Du tust ein höherer Zweck?

Die meisten Opfer machen sich gerne Sorgen, weil sie dadurch beschäftigt sind und der Geist nicht frei und wach genug, um wirkliche Probleme von eingebildeten zu unterscheiden. Sich Sorgen zu machen beschützt nur scheinbar.

Opfer finden “gute” Gründe für ihr “Los”. Sie vergeben einem gewalttätigen Partner, weil verzeihen etwas spirituelles sein soll. Sie befähigen einen Süchtigen, weil Nachsicht und Verständnis spirituell ist. Aus der gesunden Entfernung betrachtet, fügt sich ein Opfer absichtlich Leid zu, um sich damit seine Machtlosigkeit bestätigen zu lassen und um noch abhängiger zu werden. Opfer werden immer angegriffen. Es gibt genügend Folterknechte, Süchtige, Wüteriche, Kontrollfreaks und kleinkarierte Tyrannen, die nur zu gerne jemandem seine Macht nehmen, der sich freiwillig als Opfer anbietet.

Wenn Du einem Menschen zu viel gibst, erkenne zunächst einmal, dass Du dies freiwillig tust. Dein Schicksal, Deine Bestimmung oder der Wille Gottes verdammen Dich nicht dazu. Du hast Dich persönlich für diese Opferrolle entschieden und Du kannst diese Entscheidung wieder ändern.

3. Erkenne Dich als Erschaffer Deiner Wirklichkeit
Menschen sind die einzigen Lebewesen, die nicht von selber erwachsen werden. Im Gegensatz zu einem Küken, das zum Huhn wird, gibt es viele Menschen, die gedanklich immer noch in der Kindheit oder Jugend feststecken, unabhängig davon, wie alt sie sind. Erwachsen werden ist für Menschen eine Entscheidung. Erwachsen werden ist eine Leistung, die persönliche Macht erfordert und diese gewährt.

Auch wenn es Jahrzehnte dauern mag, bis Du als Mensch erwachsen wirst, so beginnt das Erwachsen werden doch mit der Vorstellung, dass Du Deine Erfahrungen selber gestaltest und der Verfasser Deiner eigenen Geschichte bist.  Ein Verfasser ist das genaue Gegenteil eines Opfers, welches eine von anderen Menschen geschriebene Geschichte lebt.

4. Was lässt Dich wachsen?
Sobald Du es Dir zum Ziel gemacht hast, der Verfasser Deiner Geschichte zu sein, wirst Du Deinen Weg sehen und Dich entwickeln. Diese Entwicklung ist zu Anfang wacklig.  Jeder ist auf die eine oder andere Weise naiv oder unreif.  Dein freier Wille kann Deine Entwicklung vorantreiben. Wenn Du Deinen Wünschen nachgehst,  wirst Du Dich weiterentwickeln und immer mehr in Deine Macht kommen.

In Indien wird zwischen Dharma und Adharma unterschieden. Dharma ist alles, was das Leben fördert wie Glück, Wahrheit, Pflicht, Tugend, Ehrfurcht, Hingabe, Wertschätzung, Gewaltlosigkeit, Liebe und Selbstrespekt.  Adharma ist alles, was das Leben nicht unterstützt wie Zorn, Gewalt, Angst, Kontrolle, Rechthaberei, Misstrauen, Gewissenlosigkeit, Sucht, Voreingenommenheit und Unbewusstheit.

Wahre Macht kommt von Dharma.  Wenn Du Deinen Alltag betrachtest, wie kannst Du mehr Dharma und weniger Adharma in Dein Leben bringen?

5. Vertraue auf eine Macht, die über die Alltagswirklichkeit hinausgeht
Nichts von dem bislang erwähnten wird ohne eine höhere Wirklichkeit wahr. Ich rede hier nicht unbedingt von Religion oder Gott. Um einen Funken an Erkenntnis zu haben, musst Du nur in Verbindung mit dem belebenden, grenzenlosen Bewusstsein und seiner Kreativität und Intelligenz kommen.

Stell Dir vor, Du sitzt in einem Netz fest. Alle Netze haben ein Loch. Finde eins und springe hindurch. Ich kenne Frauen, die von ihrem Partner misshandelt wurden und die ein Loch im Netz gefunden haben, in dem sie zum Beispiel malen lernten. Die Kunst änderte, wie diese Frauen über sich dachten.  Anstatt zu glauben, dass sie gefangen waren und es keinen Ausweg gab,  erkannten sie in Anbetracht der schönen Bilder, die sie malten, dass sie viel mehr wert waren, als sie dachten. Das Bewusstsein und seine Eigenschaften eröffnen viele Fluchtwege.

Was zieht Dich an?

Gehe über Deine derzeitige Wirklichkeit hinaus und entdecke etwas neues. Dadurch lichtet sich der Nebel und Dir wird klarer, was Du vom Leben wirklich möchtest. Finde etwas schönes, das Dich anzieht und folge ihm.

Was weitet Dich aus?

Lass Deinen Geist Dich wegführen von den gewohnten Gedanken zu neuen und aufregenden. Stell Deinen Blickwinkel in Frage und gehe Sichtweisen nach, die Dich ansprechen. Weite Deinen Geist aus, anstatt hinter Rechtfertigungen und Mauern zu leben.

Was macht Dich weich? 

Was möchtest Du Dir jetzt vergeben? Was möchtest Du anderen vergeben?

Anstatt Rache zu üben oder anderen Schmerzen zufügen zu wollen, was macht Dich gefühlsmäßig weich? Wo in Deinem Umfeld ist Liebe und Mitgefühl, auf die Du noch nicht zugegangen bist? Wie kannst Du Dich darauf zubewegen? Wie kann der Wunsch, zu lieben und geliebt zu werden Dich beleben, ohne dass Du Dich aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus ständig rechtfertigen musst?

Wo öffnet sich der Himmel?

Bist Du offen  für ein großes „Aha“ Erlebnis, eine Offenbarung Gottes, die die alte Schicht Deiner Wirklichkeit abtragen kann? Das Bewusstsein erhellt sich. Du bist auf einer ganz anderen Ebene und es fühlt sich an, wie wenn der Himmel sich öffnet.

Was verehrst Du?

Das Leben ist voller Wunder. Hingabe lässt Dich Dein Leben anerkennen und ehren. Du bist in diese Welt hineingeboren worden, um Dich etwas zu widmen.  Mit Hingabe wirst Du Dich lieben lernen.

All diese Fluchtwege führen zurück zu dem Menschen, der Du wirklich bist. Dieser Mensch weiß, dass das, was wirklich zählt, weit über Dich hinausgeht. Das Wunder der Natur, die Herzlichkeit der Liebe, Dein Entdeckungsdrang und eine unerwartete Offenbarung Gottes sind die wahren Quellen der Macht. Sie sind Du und Du bist sie alle.

 

Aus dem Amerikanischen Original übertragen von Joachim Schneider

Bild: UrsulaDietl-Naturliebe.com