Hört Gott auf Gebete?

Erde-im-SandDeepak Chopra, 9. Juni, 2. Juni und  26. Mai 2014

Es bedarf keiner Umfrage, um davon auszugehen, dass Menschen, die an Gott glauben, auch daran glauben, dass er ihre Gebete erhört. Die Vorstellung eines unnahbaren, gleichgültigen Gottes, dem die Sorgen und Nöte seiner Schäfchen egal sind, ist nur schwer mit dem herkömmlichen Glauben zu vereinbaren. Und dennoch erleben viele einen Gott, der nur hin und wieder ans Telefon geht und lange nicht alle Gebete erhört.

Da die Theologie des Betens kompliziert werden kann, habe ich das Beten vereinfacht, auch weil es für die meisten Menschen etwas Einfaches ist. Du bittest Gott um etwas besonderes und dann beginnt so etwas wie ein Lotteriespiel. Für jedes Gebet das erhört wird, werden Millionen von Gebeten nicht erhört. Hört Gott nur hin und wieder zu? Stimmt mit den Menschen, deren Gebete er nicht erhört, etwas nicht? So frustrierend Beten sein kann, kenne ich Niemanden, der in größter Not nicht schon zu Beten angefangen hätte.

Der Klarheit wegen ist es hilfreich, sich vom herkömmlichen Gottesbild von Gott als dem Vater im Himmel zu lösen. Solche Vorstellungen sind Spiegelbilder unseres Geistes und der Kultur, aus der wir kommen und von Religion zu Religion unterschiedlich. Auch die Vorstellung, dass ein Gebet ein Ferngespräch ist, hilft nicht weiter. Wenn Gott allgegenwärtig ist, ist der, zu dem Du betest, nicht entfernt von Dir.

Darüberhinaus gilt es, die menschlichen Eigenschaften, die wir Gott zuschreiben, wie dass er männlich ist, loszulassen. Gott ist übermenschlich, was auch immer das heißen mag.

Die Inder lösten sich in ihrer spirituellen Tradition bereits vor Tausenden von Jahren von herkömmlichen Vorstellungen von Gott. Ohne diese Vorstellungen wird klarer, warum Wünsche in Erfüllung gehen oder nicht. Ein Gebet ( in dem Du Dir etwas wünschst*), ist wie ein Wunsch oder eine Absicht. Es unterscheidet sich von Alltagswünschen, wie dem nach einer Tafel Schokolade nur dadurch, dass vermeintlich übermenschliche Kräfte erforderlich sind, um das gewünschte Ergebnis herbeizuführen.

Die indischen Weisen hatten die geniale Idee, keinen Unterschied zwischen einem Alltagswunsch und einem Gebetswunsch zu machen. Wenn ein Gebet wie ein Telefonanruf an Gott ist, unterscheidet es sich von einem Alltagswunsch.  Wenn ein Gebet eine Absicht ist, dann nicht. Alle Absichten, ob außergewöhnlich oder nicht, finden im Bewusstsein statt. Der Grund, weshalb manche Gebete erhört werden und andere nicht, ist eine Frage des Bewusstseins.

Warum stellt die Absicht, eine Tafel Schokolade zu essen eine klare Verbindung zu einem konkreten Ergebnis her, die Absicht, dass der Freund vom Krebs geheilt wird oder nach Frieden im mittleren Osten, jedoch nicht?

Die Antwort der Rishis ist, dass die Stärke einer Absicht von drei Dingen abhängt:

1. Wie tief im Geist ist die Absicht verankert?
2. Wie beständig ist der Fokus?
3. Wie „flüssig“ ist die Absicht?

Im Sanskrit heißen diese drei Dinge Samadhi, Dharana, and Dhyana. Diese werden im Vedanta wie folgt beschrieben:

1. Die Tiefe des Bewusstseins ist Samadhi. Wie ein Fluss, der an der Oberfläche schnell, jedoch am Grund langsam fließt, ist der Geist teils aktiv, teils still. Die Stille wird uns im Raum zwischen den Gedanken bewusst. Wenn Du Deinen Geist nur über Empfindungen, Bilder, Gefühle oder Gedanken wahrnimmst, verpasst Du dessen stille Quelle. Der Sinn östlicher Meditationen ist, diese Quelle zu finden. Je öfter Du in diese Quelle eintauchst, desto tiefgehender gehst Du Deinen Absichten außerhalb der Meditation nach.

Samadhi wird unterstützt durch Meditation, ein ruhiges und friedliches Umfeld, frei von Stress, Ärger oder Ablenkungen und dadurch, dass Du bewusst in diesem Augenblick bist und ihn annimmst.

2. Stetig auf eins gerichtet zu sein, ist Dharana. Auch wenn wir alle ständig irgendetwas beabsichtigen, so ist Dharana die auf einen Punkt gerichtete Absicht, welche mit anderen Absichten nicht im Widerspruch steht oder nicht durch Ruhelosigkeit oder Zerstreuung gestört wird. Die hierzu erforderliche Wachheit und Klarheit bedarf zwar keiner außergewöhnlicher Fähigkeiten, kann aber auch nicht über Nacht erlangt werden.  Wir alle haben Momente erlebt, in denen wir genau wussten, was wir wollten und unseren Fokus und die Aufmerksamkeit solange darauf richteten, bis sich der Wunsch erfüllte.

Dharana wird unterstützt durch Klarheit, Selbstvertrauen, Sorgfalt und sinnvolles Handeln, indem wir unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, bei der Sache bleiben und diese Sache zu Ende zu führen. Dharana wird gestört, wenn wir mehrere Dinge gleichzeitig machen wollen, verwirrt sind, in den Tag hineinträumen, wenn  sich unsere Wünsche wiedersprechen, wir die Wirklichkeit verdrängen oder unsere  Aufmerksamkeitsspanne zu kurz ist.

3. Das flüssige Bewusstsein ist Dhyana.  Auf eins gerichtet sein (Dharana) und Flexibilität (Dhyana) scheinen wie Wasser und Eis im Widerspruch zueinander zu stehen. Sie ergänzen sich jedoch, denn der Geist ist kein Gegenstand oder Stoff. Ein offener Geist, der sich jeder Situation anpassen kann, schließt einen beständigen Fokus nicht aus. Auch bei einem  Videospiel muss der Spieler offen für Überraschungen sein, um so viele Punkte wie möglich zu erreichen. Im Alltag ist ein Wunsch am Anfang auf einen Punkt gerichtet. Du lässt diesen Punkt jedoch los und wartest darauf, was für eine Reaktion kommt. Der Trick besteht darin, die Welt „da draußen“ als Signal von „hier drinnen“ zu verstehen.

Dhyana wird gestärkt durch Gelassenheit, Achtsamkeit, Authentizität und Vertrauen.  Nimm die Dinge so wie sie kommen, im Glauben an die  Weisheit der Ungewissheit und daran, dass wir mit einer höheren Intelligenz verbunden sind, die die Wirklichkeit organisiert. Spannungen, Erwartungen, Kontrolle, Sturheit, strenge Regeln, zwanghafte Routinen, Fanatismus und Zweifel an der Unterstützung durch andere schaden Dhyana.

Wenn eine Absicht tief verankert ist, beständig und flexibel, heißt das Samyama und macht sie am Stärksten. Ob eine Absicht sich verwirklicht, hängt aus dieser Sicht davon ab, wie wirkungsvoll wir das Bewusstsein einsetzen und nicht davon, ob Gott unsere Gebete erhört. Um die Außenwelt zu beeinflussen, gilt es tief in der Selbstwahrnehmung versunken, zielgerichtet und stetig, jedoch auch flexibel, einer Absicht nachzugehen. Unerhörte Gebete weisen auf einen ruhelosen und oberflächlichen Geist hin, der mit sich im Widerspruch darüber ist, was er wirklich will. Wir alle haben mit diesen Herausforderungen zu tun. Gebete werden erhört, wenn unsere Absichten ganz klar sind. Sie können sogar augenblicklich wahr werden, wie wenn sich jetzt die Wolken öffnen. Auch wenn Samyama im Yoga als Zeichen hoher Weiterentwicklung gilt, ist der Ablauf im Alltagsbewusstein der Gleiche. Mithilfe von spirituellen Übungen oder Meditation können wir unseren Absichten Bewusstseinstiefe, Stetigkeit und Flexibilität geben und sie damit leichter umsetzen.  Das Ergebnis wird dabei nicht für jeden Menschen dasselbe sein. Manche werden ihre Gebete erhört bekommen, andere werden sich der Gegenwart immer bewusster, wieder andere spüren eine stärkere Verbindung zu Gott.

Wenn erhörte und unerhörte Gebete ihre Grundlage in unserem Bewusstsein haben, wie unterscheiden sie sich? Die religiöse Erklärung ist schwierig.  Wenn Gott Dein Gebet nicht erhört hat, gibt Dir die Religion die Schuld. Dein Glaube war nicht stark genug, der Wunsch zu egoistisch, Du hast Dich Gottes Willen nicht unterworfen,  gesündigt und noch nicht gebeichtet. Das Problem mit diesen Erklärungen ist, dass sie genauso wenig widerlegt werden können, wie die Fragen „Gibt es Gott?“,  „Hasst er Dich?“, oder  „Ist er unfair?“

Im Gegensatz dazu bezweifelt Niemand, dass es ein Bewusstsein gibt, wobei dessen Ursprung immer noch ein Rätsel ist. Auch gibt es keinen Zweifel daran, dass jeder Mensch denkt und Absichten hegt und wenn er die Verwirklichung einer  Absicht für möglich hält, diese umsetzen will. Wenn wir eine Pizza bestellen, ein Auto starten oder am Morgen aufstehen, setzen wir Absichten um, bei denen wir einen normalen und natürlichen Zusammenhang von Ursache und Wirkung sehen. Wenn wir allerdings keinen natürlichen Zusammenhang von Ursache und Wirkung erkennen, sondern nur einen übernatürlichen, bleibt uns  nur das Gebet. Was übernatürlich ist, ist von Kultur zu Kultur verschieden. Für Urvölker ist ein Flugzeug, Aspirin oder, dass eine Gewehrkugel ein Reh töten kann, womöglich etwas Übernatürliches. Anstatt diese Kulturen für primitiv zu halten, kann es aus der Sicht anderer Zivilisationen nur schwer verständlich sein, warum wir nicht wissen, wo Gedanken herkommen oder wie aus dem unsichtbaren Quantenfeld etwas Fassbares entsteht.  Unser Glaube darüber, wie Ursache und Wirkung miteinander zusammenhängt, bricht in sich zusammen, wenn wir uns fragen, wo Ursache und Wirkung herkommen.

Seit der Quantenrevolution des letzten Jahrhunderts, Einsteins Relativitätstheorie und Heisenbergs Unschärferelation hat uns die Physik von dem naiven Realismus befreit, dass wirklich nur das ist, was wir mit unseren 5 Sinnen wahrnehmen können. Die Welt, in der wir leben, ist vollkommen anders, als das, was unsere Augen und Ohren uns vorgaukeln.  Auch wenn ein Rosenbusch in Deinem Garten zu stehen scheint,  ist er eine Verwirklichung des Quantenfelds auf der mikroskopischen Ebene, und hat keinen Standort in Zeit und Raum. Die Quanta, aus denen Materie entsteht, sind nur eine Wahrscheinlichkeitswelle die grenzenlos in alle Richtungen weist. Auf einer feineren Ebene verschwindet alle Materie und Energie im Quantenvakuum, einem Feld reinen Potentials, welches dem bloßen Auge leer vorkommt. Der Rosenbusch ist daher nirgends und überall. Die Physik hat noch keine Antwort darauf, warum ein nicht örtliches Quantenereignis ausgerechnet in Deinem Garten zu einem Rosenbusch wird und nicht auf dem Mars oder im Andromedanebel.

Lange Zeit war die Wissenschaft nicht offen für Untersuchungen darüber, wie sich das Verhalten der Quanta  auf den Alltag auswirkt. Es wurde zwischen der Quantenwirklichkeit, in der Quanta sich so verhalten können, wie sie wollen und der herkömmlichen Wirklichkeit eines Rosenbusches unterschieden, wobei der Rosenbusch den herkömmlichen Gesetzen von Ursache und Wirkung unterworfen wurde. Der Gedanke, dass es zwei Wirklichkeiten gibt, macht jedoch keinen Sinn, weshalb in den letzten Jahrzehnten nach einer Verbindung zwischen Quanten und herkömmlicher Wirklichkeit gesucht wird, um eine einzige Theorie der Wirklichkeit zu entwickeln.

Das bringt uns zum Gebet zurück. Nehmen wir eimal an, ein Gebet is ein konkretes Ereignis, bei dem ein Mensch eine einzigartige Bitte vorbringt. Dass dieses konkrete Ereignis ortsunabhängig verarbeitet wird, ist durchaus denkbar, da die Verbindung von Körper und Geist aus Veränderungen auf der Quantenebene zu bestehen scheint. Wenn dem so ist, wirkt sich nicht nur ein Gebet, sondern auch jeder Gedanke auf das Quantenfeld aus. Demgemäß stellen Gebete und Gedanken Ausflüge in die Welt des Zeit- und Raumlosen dar.

Ob Dein Gebet erhört wird, hängt von Ereignissen ab, die zwar nicht sichtbar sind, aber im Geist stattfinden.  Wenn wir das, was wir unter dem Geist verstehen,  ausweiten, können wir erklären, warum ein Gebet erhört wird oder nicht. Sobald das Gebet die herkömmliche Welt verlassen darf, ist  es nicht mehr etwas übernatürliches sondern etwas natürliches.

Bewusstseinstiefe (Samadhi), auf eins gerichtet sein (Dharana) und Flexibilität (Dhyana) geben unserem Lebenspotential fassbare Wirklichkeit. Hinter jedem Gedanken steht eine Absicht. Entscheidend ist, wie bereit du bist, die Kraft und Möglichkeiten zu nutzen und Deine Fähigkeit des Samyama zu verbessern, in dem Du eine Absicht tief ins Bewusstsein pflanzst und stetig und flexibel auf ein Ziel gerichtet bist. Ich bin von der indischen Tradition abgeweicht, um die Macht der Absicht zu einem natürlichen Teil des Geistes zu machen, anstatt sie als eine fortgeschrittene Fähigkeit einzustufen, die nur Yogis und Swamis erreichen können. Ich habe dies getan, weil spirituelle Erkenntnisse meiner Meinung nach jedem Menschen offen stehen sollten. Die größten Geheimnisse werden gelüftet, wenn wir uns  hier und jetzt anschauen.

Aus dem Amerikanischen Original  übertragen von Joachim Schneider.

* Anmerkung des Übersetzers: Deepak Chopra geht in diesem Artikel davon aus, dass Gebete wie Wünsche oder Bitten sind. Es gibt allerdings auch Danksagungen, Fragen oder Gespräche mit Gott, in denen ein Mensch nicht unbedingt einen Wunsch hat.

 

Kommentar:

Jeder Mensch ist Gott in Verkleidung, laut Advaita Vedanta, der Philosophie Adi Shankaras, auf die sich auch die Urklangmeditation beruft. Ihre Chefin, Ihr Ex, alle die sie nerven, einschließlich der Stechmücke, die sich über Sie hermachen will, sind Gott im Kostüm. Ärger bereiten Ihnen diese Lebewesen nur deshalb, damit Sie sich weiterentwickeln und erleuchten können. Anstatt andere bekehren zu wollen, hat jeder, laut dieser Philosophie einen einzgartigen Weg und die Wahrheit kann in jedem Menschen und in jeder Religion gefunden werden. Vedanta erkennt auch Jesus, Buddha und Mohammed als göttlich an. Um Urklangmeditation zu praktizieren, müssen Sie Ihre Religion, Tradition oder Wertvorstellungen daher nicht ändern. Die Empfehlung im Vedanta ist, das, was Sie interessiert, zu vertiefen, ob das der Glaube an einen dem Menschen übergeordneten Schöpfer ist, wie ihn das Christentum, der Islam und Teile des Hinduismus vertreten, der Glaube an Gott in uns allen oder an eine Fußballmannschaft 🙂 . Was macht Sie lebendig?

Mit einem Lächeln,

Joachim Schneider

Lesen Sie anhand einer Analyse von Deepak Chopras astrologischen Yogas  über weitere Faktoren, die  die Erfüllung eines Wunsches oder Gebetswunsches beeinflussen.  Hast Du einen Korallenbaum?